Lange vor meinem Musikstudium in den späten 90ern/frühen 2000ern war ich in der Studienvorbereitung in Berlin und hatte dort einen Klavierlehrer, der mich -obwohl ich erst Jahrzehnte später Klarheit darüber empfinden konnte- gegroomt hat. Ich war zu diesem Zeitpunkt ca 17-18 Jahre alt und er war ca 40. Er lud mich ins Kino ein, nachdem es im Unterricht auch nur noch sehr selten um Musik ging, sondern eher Privatgespräche geführt wurden und Grenzen (mit denen ich eh Probleme hatte) unmerklich in Richtung „Freundschaft“ verschoben wurden. Nach diesem Kinobesuch, der „zufällig“ ganz in der Nähe meiner damaligen Wohnung stattfand, wollte er noch mein Klavier sehen und ausprobieren und kam mit zu mir. Ich war so voller Bewunderung für diesen Menschen und seine musikalischen Fähigkeiten, konnte nicht richtig unterscheiden zwischen dieser Bewunderung und dem Respekt, den ich für ihn empfand und Verliebtheit. Es war alles relativ verwirrend, wir tranken sehr viel an diesem Abend. Jedenfalls fingen wir eine Affäre an, die sich mehrere Monate lang hinzog und während er mir immer wieder versicherte, er würde sich von seiner Ehefrau trennen usw. Die Treffen blieben hoch konspirativ, es ging ja schließlich um seinen Ruf. Die Geschichte endete dann irgendwann schmerzlich, aber geblieben war das Bewusstsein, als Musikerin nicht genügend wert zu sein, ich hatte das Gefühl, mich auch sexuell verfügbar machen zu müssen. Eine Werteverschiebung hatte stattgefunden. Ich denke bis heute oft, wäre ich eine bessere Musikerin, wäre mir das nicht passiert. Ich fühle mich immer noch schuldig. Auch meine relativ erfolgreiche Karriere als Sängerin stand immer unter diesem Schatten und ich konnte mich nicht davon abgekoppelt als vollwertigen Teil der Musikszene wahrnehmen, als Person mit dem Recht zu lernen und körperlich unangetastet zu bleiben. Vor und während meines Musikstudiums kam es immer wieder zu Grenzüberschreitungen von Lehrpersonen und Musikern, die ich respektierte und bewunderte. Jetzt, wo ich selber unterrichte und auch viel mit jungen Menschen arbeite, erscheint mir das Verhalten dieser Männer absurd und ich glaube nicht mehr, dass sie mich auf Augenhöhe wahrnahmen. Letztendlich war das, was ich erlebt habe abuse. Auch wenn ich es mir selbst nicht ganz glauben kann und mir selbst die Schuld an diesen Ereignissen gebe.