Ich habe nach meinem Bachelorstudium ein Praktikum bei einem klassischen Musikfestival gemacht. Dieses war Anlass für mich, mich danach beruflich umzuorientieren, weil ich dort das Gefühl bekam, mein Berufsweg sei von der Gunst von Männern abhängig, denen es gefällt wenn ich lächle und gut aussehe, und nur marginal von meinen eigentlichen Fähigkeiten. Ich war während des Büroalltags meinem Vorgesetzten ausgesetzt, der mich und meine Arbeit durch das Arrangement der Schreibtische permanent beobachten konnte. Er wurde schnell aufgebracht, lachte mich aus, wenn ich Kleinigkeiten in Büroabläufen vergaß und schnauzte mich an, wenn ich bestimmte organisatorische Steps nicht nach seinen Vorstellungen erledigte, ohne dass er mir diese vorher mitgeteilt hätte. Mein Job bestand fast einzig und allein darin, ihm zu assistieren, weshalb ich weitestgehend abhängig von seinen Launen und Meinungen war. Meine Arbeit erledigte ich wohl sehr gut, aber seine Unfähigkeit, professionell, wertschätzend und vor allem klar mit mir zu kommunizieren, setzte mich unter einen ständigen Druck. Ich war wütend, mich so klein zu fühlen, und traute mich gleichzeitig nicht, für mich einzustehen, weil ich von seinem Wohlwollen abhängig war. Einmal fing er, ohne nach Einverständnis, an, mich im Büro zu massieren, weil ich von Rückenschmerzen erzählt hatte. Das war schrecklich und doch war ich zu jung und ängstlich, um mich zu wehren. Auch erzählte ich ihm zu Beginn des Praktikums, dass ich an einer Blasenentzündung litt. In der Situation glaubte ich noch, ihm vertrauen zu können, er hatte nachgefragt, was ich denn hätte, weil ich berichtete, gesundheitlich eingeschränkt zu sein. Ich schaffte es nicht, seine Nachfrage dazu abzuwehren und bildete mir noch ernsthaftes Interesse an meinem Zustand ein. Im Anschluss erzählte er es allen Mitarbeiter*innen weiter, sodass ich bei den ersten Konzerten, an denen ich teilnehmen konnte, tatsächlich von einem Kollegen statt bei meinem Namen „Blasenentzündung“ genannt wurde. Der Chef des Festivals war ein alter weißer Mann, der mir zwar anbot, mich bei Problemen bei ihm melden zu können, aber selbst vor allem hervorhob wie sehr sich die Gäste über junge, (implizit gut aussehende), lächelnde Publikumsbetreuung wie mich freuen würden. Mein Vorgesetzter prüfte bei den Konzerten regelmäßig wie ich aussah, musterte mich von oben bis unten und entschied dann, ob ich die Blumen an den*die Musiker*in übergeben dürfte. Auch wenn ich nachvollziehen kann, dass bestimmte Outfits zu „leger“ für diese Aufgabe waren, war es ein schreckliches Gefühl, so für mein Aussehen bewertet zu werden. Zum Ende des Festivals ging ich dazu über, mich nicht mehr zu schminken und weite Kleidung zu tragen, was nicht meinem persönlichen Geschmack und Stil entsprach, sondern womit ich mich schützen wollte vor dem alten männlichen Blick, dem ich in dieser Zeit wohl mehr als sonst ausgesetzt war und der sich eben mit meiner Arbeit stark vermischte und deshalb viel mehr Macht als sonst auf mich ausübte. Am allerletzten Konzert zog ich mich, auch aus einem „jetzt erst recht“ Gedanken und weil ich es schlimm fand, dass ich mir selbst verboten hatte, mich anzuziehen, wie ich wollte, schicker an und trug hohe Schuhe. Was dann passierte, war sehr bezeichnend für meinen Eindruck bis dahin und sehr schockierend. Einer der Sponsoren des Festivals kam nach dem Konzert wohl angetrunken samt einer weiblichen und einer männlichen Begleitung zu mir, und küsste mich vor meinen Kolleg*innen auf die Wange. Es sei eine Ehre gewesen, mir bei der Blumenübergabe zusehen zu dürfen, flüsterte er mir ins Ohr. Ich kannte diesen Menschen nicht. Ich war wie erstarrt und irritiert, konnte mich auch hier nicht wehren, auch weil ich mit so einem offensichtlichen Übergriff nicht rechnete. Auch die Kolleg*innen sagten nicht wirklich etwas dazu. Nach einer kürzeren Erfahrung als Kellnerin, war dies das erste Mal, dass mir die Macht, die Männer über mich haben können in der Arbeitswelt, so bewusst wurde. Es war ein schreckliches Gefühl, in diesem Kontext sexualisiert zu werden und nicht unterscheiden zu können, wofür ein Lob nun wirklich gedacht ist. Vermischt mit der cholerischen, rücksichtslosen Art meines Vorgesetzten fühlte ich mich extrem entwertet und ausgeliefert und entschied im Anschluss, meine berufliche Laufbahn möglichst nicht von solchen Menschen abhängig zu machen. Ich habe inzwischen verstanden, dass es in eigentlich allen Branchen diese Probleme gibt, weil Sexismus ein großes gesellschaftliches Problem ist, jedoch fühlte ich mich durch die oft sehr vagen Skill-Anforderungen in der Kulturarbeit noch mehr bedroht, von solchen Machtgefügen geschädigt zu werden. Das Praktikum war eine sehr schlimme Erfahrung für mich, ich habe mich entwertet und sexualisiert gefühlt und es hat mich eher in meiner Karriere zurückgeworfen als dass ich mich weiterentwickeln konnte.